P a r t e i u n a b h ä n g i g e - k o m m u n a l p o l i t i s c h e - V e r e i n i g u n g

Rede zum Haushalt 2012 in der Sitzung des Stadtrates am 04.07.12:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen,

sehr verehrte Damen und Herren,

der Volksmund sagt: „Wem das Wasser bis zum Hals steht, der sollte den Kopf nicht hängen lassen“. Den Kommunen in NRW steht schon seit längerem das Wasser bis zum Hals – und manche von ihnen tauchen auch schon einige Meter unter der Wasseroberfläche. Durch die seit Jahren bestehende strukturelle Unterfinanzierung werden nach Einschätzung des Städte- und Gemeindebundes NRW im Haushaltsjahr 2012 nur 35 der 359 kreisangehörigen Kommunen in NRW einen strukturellen Haushaltsausgleich erreichen können. 141 Kommunen müssen ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen, und in elf Kommunen ist die finanzielle Lage so dramatisch, dass diese mittlerweile nicht nur ihre Ausgleichsrücklage, sondern auch ihr komplettes Eigenkapital aufgebraucht haben und damit nach Definition des § 75 Absatz 7 der Gemeindeordnung NRW überschuldet sind. 1

Zu letzteren „tauchenden“ Kommunen gehört Geilenkirchen noch nicht, aber das Wasser schwappt auch uns schon um den Hals und wir müssen ordentlich Strampeln und verzichtbaren Ballast abwerfen, um nicht ebenfalls unter Wasser gezogen zu werden. Aufgrund ihrer finanziellen Situation gehört Geilenkirchen zu den 141 Kommunen in NRW, die nach § 76 der Gemeindeordnung verpflichtet sind, ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen. Im vorgelegten Entwurf der Haushaltssatzung übersteigen die Aufwendungen die Erträge um rund 6,4 Mio. Euro (zum Vergleich: für 2011 wurde im Haushaltsplan ein Fehlbetrag von rund 8 Mio. Euro prognostiziert). Nun weiß zwar jede schwäbische Hausfrau, dass man zur soliden Haushaltsführung einfach nur nicht mehr ausgeben darf als man einnimmt. Leider ist das bei Kommunen nicht so einfach: Sie führen insbesondere Pflichtaufgaben nach Weisung durch die Landesregierung aus, deren Kosten unter Verletzung des Konnexitätsprinzips die Haushalte belasten und die kommunale Selbstverwaltung dadurch in Frage stellen. Auch die neue Landesregierung aus SPD und Grünen hat in ihrem jüngst beschlossenen Koalitionsvertrag hier keinen Paradigmenwechsel erkennen lassen. Zwar ist der „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ noch vor der Auflösung und der Neuwahl des Landtages aufgelegt worden, um zumindest die Not bei den am stärksten betroffenen Kommunen ein wenig zu lindern. Darüber hinaus lassen sich aber in dem neuen Koalitionspapier keine weiteren durchgreifenden Maßnahmen zur Stärkung der Kommunen erkennen. „Die Koalitionäre werden ihrem eigenen Anspruch, die Kommunen nachhaltig zu stabilisieren, nicht gerecht", erklärte daher auch der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW.2

Im Gegenteil: in dem Vertrag würden viele weitere Aufgaben wie etwa ein weiteres kostenfreies Kindergartenjahr skizziert, deren Finanzierung ungewiss sei. Von Seiten der Landesregierung sind somit also keine weiteren Hilfen zu erwarten. Die Stadt Geilenkirchen wird vermutlich bei der Konsolidierung ihres Haushaltes auf sich alleine gestellt sein.


ausgeglichenes Haushaltssicherungskonept

Entsprechend ihrer Verpflichtung nach § 76 der Gemeindeordnung hat die Stadt Geilenkirchen ein Haushaltssicherungskonzept für die Jahre 2012 bis 2022 erarbeitet. Basierend auf den Ergebnissen eines Workshops wurden zunächst 110 Maßnahmen benannt, die zu Haushaltsverbesserungen führen können. Diese wurden weiter durchleuchtet und auf ihre Realisierbarkeit geprüft und flossen dann in das Haushaltssicherungskonzept ein. In vielen Bereichen quer durch die Verwaltung konnten dadurch Einsparungen realisiert werden. Die BÜRGERLISTE hält dieses Haushaltssicherungskonzept für sehr gelungen und ausgeglichen. Obwohl Einsparungen immer weh tun liegt uns heute ein Konzept mit Augenmaß vor, welches Einsparpotentiale gerecht auf nahezu alle Bereiche verteilt nutzt. Die großen „Horrormaßnahmen“ wie z.B. die Schließung kommunaler Einrichtungen hingegen konnten vermieden werden. Es ist zu erkennen, dass die Verwaltung sich hier ausgiebige Gedanken gemacht hat und alle Potentiale bis an ihre jeweiligen Schmerzgrenzen ausgenutzt hat. Ihnen, Herr Bürgermeister Fiedler, und der Verwaltung, möchte ich an dieser Stelle hierfür unser ausdrückliches Lob aussprechen.


Abschaltung der Straßenbeleuchtung

Lassen Sie mich aber auf eine Maßnahme gesondert eingehen, da sie kurzfristig vermutlich die größte wahrnehmbare Veränderung darstellt: Vorerst in einer 6-monatigen Versuchsphase wird seit dem 1. Juli montags bis freitags zwischen 0 und 5 Uhr und am Wochenende zwischen 1 und 5 Uhr die Straßenbeleuchtung weitgehend abgeschaltet. Betroffen davon sind alle Ortschaften und weite Teile der Kernstadt. Ausgenommen werden nur jene Bereiche, in denen aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen die Beleuchtung nicht abgeschaltet werden darf.

Die Vorteile liegen auf der Hand: neben dem aktiven Klimaschutz (jede Kilowattstunde, die nicht erzeugt werden muss, dient dem Klimaschutz) und der Vermeidung von sogenannter „Lichtverschmutzung“ können dadurch jährliche finanzielle Einsparungen in Höhe von mindestens 70.000,- Euro erzielt werden.

Dem gegenüber stehen insbesondere Fragen nach der Sicherheit und Kriminalität. Natürlich nehmen wir diese Sorgen ernst. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Abschaltung der Straßenbeleuchtung weder einen negativen Einfluss auf das Sicherheitsempfinden der Bürger noch auf erhöhte Einsatzzahlen der Polizei hat.3

Es zeigt sich: Licht schützt nur dort, wo Sozialkontrolle möglich ist! Wenn aber nachts die Straßen menschenleer sind, erzeugt die Beleuchtung statt Sicherheit nur unnötige Kosten.

Zudem muss man sich überlegen, welche Alternativen bestehen? Würde man auf eine Nachtabschaltung verzichten, müsste man das Geld an anderer Stelle einsparen. Es würden dann wieder Fragen wie z.B. nach einer Schließung des Hallenbades vermehrt in den Fokus rücken. Wir glauben deshalb, dass man mit dieser Maßnahme ohne eine wesentliche Einschränkung der Lebensqualität leben kann. Nach Abschluss der Testphase sollte aber überlegt werden, ob die zeitliche Regelung nicht modifiziert werden sollte. So ist unserer Ansicht nach eine differenzierte Abschaltregelung an Freitagen und Samstagen und eine Ausnahme vor bestimmten Feiertagen wie „Neujahr“ oder dem „Maifeiertag“ sinnvoll. Auf der anderen Seite ist auch zu überlegen, ob in den Sommermonaten, in denen der Sonnenaufgang ohnehin bereits kurz nach 5 Uhr stattfindet, ein Wiedereinschalten der Straßenbeleuchtung für wenige Minuten überhaupt Sinn macht.

Solche geringfügigen Änderungen müssten dann eventuell in den Folgejahren in das Haushaltssicherungskonzept eingearbeitet werden. Da ein solches Konzept aber ohnehin immer auch irgendwie „lebendig“ ist und von Jahr zu Jahr fortgeschrieben und angepasst werden muss dürfte dies wohl kein Problem darstellen, zumal bei den zu erwartenden steigenden Energiekosten der Einspareffekt einer Nachtabschaltung in den kommenden Jahren ohnehin eher noch zunehmen wird.


Haushaltsausgleich 2023

Das heute vorliegende Konzept bietet insgesamt jedoch schon jetzt eine gute Grundlage, auf der der Haushaltsausgleich in absehbarer Zeit möglich sein wird. Dies wird nach bisherigem Kenntnisstand – und das ist der einzige Wermutstropfen – leider erst 2023 und damit ein Jahr später der Fall sein, als es der Regelzeitraum nach § 76 Absatz 2 der Gemeindeordnung vorsieht. Im Jahr 2022 steht noch ein knappes Defizit in Höhe von 46.260,- Euro zu Buche. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass die Stadt Geilenkirchen sich weiterhin in der sogenannten vorläufigen Haushaltsführung wiederfinden wird, da das Haushaltssicherungskonzept in der vorliegenden Form keine Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde erhalten wird. Gleichwohl ist es aber ein ehrliches Konzept, dass nicht der Versuchung erlegen ist, die Zahlen so zu schönen, dass der Haushaltsausgleich auf dem Papier doch schon 2022 erreicht wird, sondern stattdessen mit realistischen, ja fast vorsichtigen Zahlen arbeitet. Wir meinen, dass es damit weitaus mehr wert ist, als jedes Märchenbuch, was man sich hätte ausdenken können!

Die BÜRGERLISTE unterstützt diese ehrliche Herangehensweise ausdrücklich! Wir sind davon überzeugt, dass wir mit dem vorliegenden Konzept den Haushaltsausgleich sicher im Jahr 2023 erreichen können.

Diese Aussicht sollte aber niemanden in diesem Rat dazu verleiten, die Sparanstrengungen zu verringern. Wir werden darauf acht geben, dass ein bisschen „schwäbische Hausfrau“ in diesem Rat stets mit am Tisch sitzt und bei unnötigen oder zu hohen Ausgaben ihren warnenden Zeigefinger erhebt.

So geschehen in diesem Jahr beispielsweise bei den Plänen zur Überdachung der Treppenanlage am Parkhaus hinter dem Rathaus, welche im Februar im Umwelt- und Bauausschuss vorgestellt wurden. Zwar ist eine solche Überdachung zweifellos notwendig, um die Substanz des Parkhauses zu erhalten. Wir sind aber der Meinung, dass eine funktionale und gleichzeitig kostengünstige Lösung Vorrang vor einer repräsentativen und teuren Glaskonstruktion haben muss. 4


städtische Investitionen im Jahr 2012: Vorplatz vor St. Ursula

Kommen wir damit zu den Investitionen: für 2012 wird im vorliegenden Entwurf mit einer Investitionssumme von knapp 4 Mio. Euro gerechnet – alles im rentierlichen Bereich, also in Vorhaben, welche sich im Wesentlichen durch Gebühren und Beiträge refinanzieren lassen. Dies stellt nahezu eine Halbierung des Ansatzes für 2011 dar. Trotzdem werden wir in diesem Jahr den nächsten Bauabschnitt der Innenstadtsanierung realisieren können: die Erneuerung des Vorplatzes vor dem Gymnasium St. Ursula. Dies ist wegen vorhandener Ausgabeermächtigungen aus dem Vorjahr möglich. Ein kompletter Verzicht auf diese Maßnahme ist aufgrund der Förderung des Gesamtkonzeptes ausgeschlossen. Von ursprünglich einmal angedachten ausufernden Wasserspielen wurde aber mittlerweile zugunsten einer einfachen, aber trotzdem ansprechenden Planung Abstand genommen. Diesen Verzicht auf unnötigen Luxus und Pomp halten wir insbesondere aufgrund der finanziellen Situation der Stadt auch absolut für geboten! Wir sind der Meinung, dass den Bürgern in der Einwohnerversammlung am 10.05. eine gefällige Planung vorgelegt werden konnte, die allgemeinen Anklang fand! Bürgermeister Fiedler brachte es am Ende der Versammlung auf den Punkt, als er vorschlug, dem Rat mitzuteilen, dass von Seiten der Bürger Variante A in der damals vorgelegten Form bevorzugt werde, da diese Variante alle Interessen bestmöglich berücksichtige.

Die endgültige Planung werden wir im Laufe dieser Sitzung beschließen. Leider mussten wir bei der Durchsicht der heutigen Ratsunterlagen feststellen, dass die von den Bürgern favorisierte Variante A in der damaligen Form heute gar nicht mehr zu Abstimmung stand. Selbst die ihr noch am Nächsten kommende „neue“ Variante A wies deutliche Änderungen auf (Z.B. ist die Hecke um den Rasen komplett geschlossen statt zu einer Seite offen wie es von den Bürgern gewünscht war.). Dies wurde mittlerweile von der Verwaltung korrigiert. Alle anderen heute vorliegenden Varianten weichen aber nach wie vor aufgrund des Wunsches der grünen Ratsfraktion deutlich vom Bürgerwillen ab.

Nach der bereits verpassten Chance zu durchgreifenden Änderungen im Bereich des zweiten Bauabschnittes der Innenstadtsanierung hoffen wir inständig, dass der Rat bei der Gestaltung des Vorplatzes vor St. Ursula den Willen der Bürger berücksichtigt. Hiervon hängt mit großer Sicherheit die Akzeptanz des neugestalteten Vorplatzes ab.

Sofern aber die richtige Entscheidung getroffen wird sind wir zuversichtlich, dass die Erneuerung des Platzes das Bild der Innenstadt positiv verändern wird – die historischen Wurzeln Geilenkirchens werden deutlich sichtbar gemacht und hervorgehoben. Zudem wird der Marktplatz dann unter anderem auch durch die Schaffung eines Mehrgenerationenspielplatzes einen Zugewinn an Aufenthaltsqualität erfahren.


Steuerhebesätze bereits im Dezember 2011 erhöht

Zurück zum Haushalt: Bedauerlich für die Bürger ist, dass bereits mit Ratsbeschluss vom Dezember 2011 wie in meiner letztjährigen Haushaltsrede befürchtet der Hebesatz für die Grundsteuer B erneut ab 01.01.2012 von 381 Prozent auf 413 Prozent erhöht werden musste. Gleichzeitig wurde der Gewerbesteuer-Hebesatz von 403 Prozent auf 411 Prozent erhöht. Aufgrund der vorläufigen Haushaltsführung war und ist die Stadt Geilenkirchen dazu verpflichtet, die Steuerhebesätze mindestens an die fiktiven Hebesätze des Gemeindefinanzierungsgesetzes anzupassen. Ein Ermessensspielraum nach unten besteht hier nicht. Was die Grundsteuer B angeht werden die Bürger dadurch im Vergleich zu 2011 mit rund 235.000 Euro mehr belastet. Insgesamt führt die Erhöhung der Realsteuerhebesätze zu prognostizierten Mehreinnahmen in Höhe 440.000,- €. Gerne hätten wir die Erhöhung der Grundsteuer B milder ausfallen lassen, doch hier waren uns die Hände gebunden. So lange sich die Stadt Geilenkirchen in der vorläufigen Haushaltsführung befindet wird sich daran auch nichts ändern. Und selbst danach muss man ehrlich sein: Eine Absenkung der Realsteuerhebesätze würde neue Finanzlücken in das Haushaltssicherungskonzept reißen und wäre daher ohne eine adäquate Gegenfinanzierung leider kaum möglich!


Haushaltsdefizit 2012 knapp 6,4 Mio. Euro

Trotz aller Einnahmeverbesserungen und Ausgabeverringerungen schließt der vorgelegte Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2012 noch mit einem Defizit in Höhe von knapp 6,4 Mio. Euro ab. Das Eigenkapital der Stadt reduziert sich von ca. 97 Mio. Euro auf ca. 90,7 Mio. Euro. Alles das sind nach wie vor alarmierende Zeichen die zeigen, dass uns wie eingangs erwähnt das Wasser bis zum Hals steht. Aber wir lassen den Kopf nicht hängen! Die Verwaltung hat mit viel Kreativität und Einsatz aufgezeigt, dass für Geilenkirchen Möglichkeiten zur Entschuldung offen stehen. Der Bitte des Bürgermeisters in seiner Haushaltsrede entsprechend zollt die BÜRGERLISTE daher der geleisteten Arbeit nicht nur Respekt, sondern wird dem vorgelegten Haushaltssicherungskonzept, Haushaltsplanentwurf und Jahresabschluss heute zustimmen. Zugleich erwarten wir, dass auch in den Folgejahren die Anstrengungen von Verwaltung und Politik mit gleicher Entschiedenheit fortgesetzt werden, um trotz aller widrigen Umstände schnellstmöglich zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückkehren zu können.


Zuletzt möchte ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich an SPD und Grüne appellieren: werden Sie nicht müde, auf Ihre Kollegen in der neugewählten Landesregierung Druck auszuüben, um dort endlich einen Paradigmenwechsel bezüglich der Kommunalfinanzierung weg von der Verletzung des Konnexitätsprinzips hin zu kommunaler Selbstverwaltung durch eine adäquate Finanzausstattung zu erreichen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

4siehe Niederschrift zur 12. Sitzung des Umwelt- und Bauausschusses der Stadt Geilenkirchen vom 07.02.2012


(Sie können die Rede hier auch als PDF-Dokument herunterladen)

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